vom großen bären


der indianische stamm der irokesen erzählt untereinander jedes jahr in den späten sommertagen die legende von der jagd auf den großen bären:
jahr für jahr verfolgen zwei jäger den großen bären, dessen magische kraft ihn hoch in den himmel trägt. doch die unermüdlichen jäger und ihr hund folgen ihm auch dorthin und erlegen ihn nach langer jagd. das blut des bären tropft auf die erde und färbt die blätter der bäume rot. das ist die legende des 'indian summer'.
der indian summer entfaltet seine früchte in der blüte des spätherbstes, deshalb ist er so paradox, so ungewöhnlich - ein besonderer sommer in einem besonderen herbst. auffällig am indian summer ist neben der warmen witterung, der sinnlichen trockenheit vor allem die intensive blattvervärbung, die sich die irokesen einst durch die legende von der jagd auf den großen bären erklären konnten.
heute erklären wir uns viele dinge nicht mehr anhand von gleichnissen oder metaphern. wir sind bemüht unseren verstand einzusetzen und uns rätsel und mysterien, auch seltsame, unverständlich handelnde, aber anziehende menschen, für uns mithilfe des verstands erklärbar zu machen.
diejenigen, die in den tagen des hochsommers den weg ins freibad oder an den strand gefunden haben, werden sich sicher beim betrachten der ein- oder anderen badegäste gefragt haben, wenn sich so jemand mit haut haar, beinahe nackt der öffentlichkeit preisgibt, welche geheimnisse hat dieser mensch noch vor mir?
uns überkommt die neugier, herauszufinden, was sich hinter den bikinis, den badehosen, den oberen, unteren hautschichten, den muskeln und nerven im herz verbirgt. doch das können wir uns nur vorstellen, mit etwas glück sogar erahnen. aber wer den träumereien, den sehnsüchten, den wünschen keine reale form verleiht, geht im herbst an diesen zugrunde. was der indian summer mit unseren tollkühnen erlebnissen des sommers macht? er trägt sie in den herbst und verwandelt sie. er enthüllt deren wahre natur und bestimmung. und ebendies müssen wir mit unseren wünschen, mit den frischen begegnungen des sommers und unseren neuen idealen machen. wir müssen sie weitertragen in den herbst hinein und dort müssen wir sie enthüllen und ihre wahre natur entdecken, belassen wir sie im sommer werden sie zu einer losgelassenen erinnerung einer süßen träumerei, die uns in der hitze den kopf vernebelte.
der indian summer verhilft uns diese genüsse zu transformieren und zu illuminieren, aber auch geheimnisse aufzudecken, unsere neugier zu schüren, die wahre blattfarbe unseres gegenübers zu erkennen. sicher, neben der schönheit birgt der indian summer auch die trockenheit und den sturm. doch selbst wenn ihr euch irgendwann in einem garten ohne blätter aufhaltet, wer sagt, dass nicht auch er schön sein kann?
seid jäger und geht auf die jagd nach eurem großen bären! es ist jagdsaison! es ist indian summer!

s.

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